Wir haben bereits in früheren Artikeln für die HTC Vive geschwärmt und sie zum damals besten VR-Device erklärt. Nun jährt sich der Verkaufsstart der finalen Modelle an Endkunden zum ersten Mal und es ist Zeit, dieses anspruchsvolle und nicht gerade günstige Stück Technologie zu testen. Wie gut schlägt sich HTC Vive in beengten Räumen? Wie gut ist die Performance mit einem Rechner den wohl niemand als High End bezeichnen würde? Wie ist der Tragekomfort? Was müssen Brillenträger beachten? Viele Fragen, ein stolzer Preis. Los gehts.
Ein großes Spielzimmer ist Pflicht
HTC Vive Raum Einrichtung 1 (Bild © HTC)Die HTC Vive kann mit und ohne Bewegungserkennung genutzt werden. Wer sich mit der VR-Brille auf dem Schreibtischstuhl oder der Couch niederlassen will kann dies tun, muss aber gegebenenfalls den Standort des Rechners beachten damit die Kabel nicht unter Zug stehen (mehr dazu im Abschnitt zum Tragekomfort). Wer allerdings den vollen VR-Spaß wünscht, der braucht einiges an Platz. Der minimal notwendige Raum wird von HTC mit einer Fläche von 1,50 x 2,00 Meter angegeben. In der Realität, wenn z.B. eines der Lighthouses nicht extra auf einem Stativ sondern eher auf einem ohnehin im Zimmer vorhandenen Bücherregal platziert wird, sollte man mindestens eine Fläche von 2,00 x 2,00 Metern bereithalten.
HTC Vive Raum Einrichtung 2 (Bild © HTC)
Räume ab dieser Größe erlauben es, den PC samt traditionellem Monitor in der Nähe aufzubauen damit man sich auch bewegen kann ohne an den Kabeln zu ziehen. So können sich auch Besucher, die die Vive ausprobieren möchten oder vorgeführt bekommen sollen, im gleichen Raum aufhalten. Bereits beim aufstellen der Lighthouses und dem folgenden einmessen der zum Spielen vorgesehenen Fläche mit Hilfe der HTC Vive Controller bleibt also eine erste Erkenntnis stehen: Ein großes Spielzimmer ist pflicht. Wer im Wohnzimmer spielt sollte es, je nach individueller Wohnungsgestaltung, leichter haben eine entsprechende freie Fläche zu bekommen. Ab einer Freifläche von etwa ab 2,80 x 2,80 Metern entfaltet die HTC Vive ihre ganze Brillianz, man kann sich durch die virtuelle Welt bewegen ohne ständig im Hinterkopf zu haben, dass man eigentlich vor einer Zimmertür steht und ohne dass man zu oft durch das ins Spiel projizierte Chaperone-Gitter aus der virtuellen Realität heraus gerissen wird.
Tragekomfort ist erstklassig
Michael mit HTC Vive (Bild © PCMasters.de)
Für den vollen Spielspaß mit einer Virtual Reality Brille ist der Tragekomfort einer der entscheidenden Faktoren. Wird das System zu schwer, belastet es den Hals. Kopf- oder Nackenschmerzen wären eine ärgerliche Nebenwirkung der virtuellen Realität. Spielt man im Sitzen ist der Tragekomfort einwandfrei, unmittelbar am Gummizug um den Hinterkopf wird ein 3,5mm Klinken-Ausgang aus dem Kabelstrang ausgeschliffen, an diesem Anschluss lassen sich beliebige Headsets (die über einen entsprechenden Anschluss verfügen) oder einfach kleine InEar-Kopfhörer anschliessen. Für den maximalen VR-Spaß sollte man ein vernünftiges Headset mit Noise-Cancelling wählen. Wer Besucher mit im VR-Zimmer (bei vielen wird dies vermutlich wie bereits angedeutet auf das Wohnzimmer rauslaufen) hat und ihnen nicht verbieten will sich zu unterhalten, wird eines schnell merken: Stimmen im Hintergrund können das vollständige eintauchen in VR-Welten teilweise erheblich stören. Je nach Kopf- bzw. Gesichtsform macht es Sinn, den ab Werk montierten Schaumstoffrahmen durch das zweite mitgelieferte Modell, welches HTC selbst als "Narrow Face" bezeichnet, auszutauschen. Hat man den für sich passenden Rahmen montiert und ist damit fast perfekt Blickdicht von der Außenwelt abgeschirmt merkt man schnell: Die HTC Vive hat zwar ein spürbares Gewicht, wird aber zu keiner Zeit (wir haben nicht länger als 60 Minuten ohne Pause getestet) unbequem.
Auch für Brillenträger unproblematisch
Kritisch werden Gerätschaften die man direkt auf dem Kopf trägt naturgemäß am schnellsten für Brillenträger. Der eine oder andere Brillenträger hat, je nach Brillenmodell, schon mit einigen Audio-Headsets Probleme: Wenn diese zu stark gegen das Ohr und damit auch gegen das Brillengestell drücken, entstehen schnell Schmerzen und der Spielspaß ist dahin. An unserem Test hat auch ein Brillenträger mitgewirkt, die verwendete Brille mit einer Gesamtbreite von 14cm und einer Gesamthöhe von 14,5cm konnte ohne Probleme unter der Vive getragen werden. Nur beim Aufsetzen der HTC Vive muss man etwas vorsichtiger sein. Nach dem Aufsetzen der Vive ist es oft nötig den Sitz der Brille geringfügig zu korrigieren um wieder ein scharfes Bild zu sehen. Sitzen Vive und Brille einmal bequem und so dass man ein scharfes Bild sieht, kann man sich auch ein entsprechendes Headset auf die Ohren setzen. Jedes Headset, dass sich mit der eigenen Brille verträgt, verträgt sich auch mit der Kombination aus HTC Vive und Brille. Somit ist die HTC Vive auch für Brillenträger unproblematisch und bequem verwendbar, subjektiv ist das ganze sogar bequemer als die Kombination aus der eigenen Brille und den Polfilter-Brillen die man im Kino für 3D Filme erhält. Wer nur eine Brille mit leichter Korrektur trägt kann möglicherweise durch den verstellbaren Abstand zwischen den Linsen der HTC Vive und dem eigenen Auge auch auf die Brille unter der VR-Brille verzichten.
Einstellungsmöglichkeiten für die Kopfform
Weil bekanntlich jede persönliche Kopfform dazu neigt einmalig zu sein muss es auch möglich sein, das eigene VR-System an den eigenen Kopf anzupassen. Die HTC-Vive bietet diese Möglichkeiten. Direkt am Gerät kann der Abstand zwischen Linse und Display (und damit auch der Abstand zwischen Linse und Auge) angepasst werden. Auch der Abstand zwischen den Augen lässt sich in der Breite anpassen. Abgerundet werden die Anpassungsoptionen durch die Möglichkeit die Gummizüge, welche die HTC Vive fest und sicher auf dem Kopf hält, zu justieren damit die Vive jederzeit stabil und bequem sitzt.
HTC Vive Anschlussbox (Bild © HTC)Kurze Kabel
Wie bereits erwähnt sind bei der HTC Vive InEar-Kopfhörer mit im Paket enthalten, diese kommen mit einem sehr kurzen Kabel daher, für schnelle Kopfbewegungen ist dies ungeeignet da sich das Kabel so gelegentlich spannt und die Kopfhörer unter Umständen aus dem Ohr gezogen werden können.
Der Haupt-Kabelstrang der die HTC Vive mit der Anschluss-Einheit (die sich zwischen PC und Vive befindet) verbindet ist angemessen lang. Wer aber den maximal möglichen Spielraum von etwa 5 x 5 Metern ausnutzen will, sollte sich von der Idee, den PC in einer Ecke unterhalb eines der Lighthouses zu platzieren, verabschieden, denn für die vollen 7 Meter die man theoretisch von einer zur anderen Ecke des maximalen Spielfelds laufen könnte ist das Kabel nicht lang genug. Beachtet man noch den Höhenunterschied zwischen einem meist auf dem Boden platzierten VR-PC und dem Kopf des Spielers wird diese Differenz noch größer.
Hohe Anforderungen an den PC
Zur Verwendung der HTC Vive in Verbindung mit der Software-Plattform Steam VR wird zwar kein High-End System benötigt, dennoch werden stattliche Anforderungen an den Rechner gestellt. Mit dem kostenlos über Steam erhältlichen Steam VR Performance Test kann zunächst jeder selbst testen, ob der eigene Rechner einigermaßen bereit oder absolut gerüstet für Virtual Reality Anwendungen ist. Der Benchmark bietet, bis auf den Startparameter "-multigpu" zur Aktiverung von Multi-GPU-Support, keine Einstellungsmöglichkeiten und betrachtet die Marke von 90 FPS (Frames per Second / Bilder pro Sekunde) als den kritischen Wert, der für flüssiges VR-Vergnügen nötig ist. In unserem VR-Testsystem arbeiten folgende Komponenten:
- Intel Core i5-2400, 4x 3,4Ghz
- AMD RX 470, 8 GB
- 8 GB DDR3 1333Mhz
- Windows 10, 64 Bit
Mit diesem System erhalten wir eine Bewertung von 6,2 im Steam VR Performance Test. Trotz dieses guten Resultats sind die Ladezeiten von Virtual-Reality-Spielen unangenehm lang, dies liegt in unserem Fall allerdings schlicht an einer vergleichsweise langsamen Festplatte. Wer seine Software auf einer SSD oder zumindest einer schnellen Festplatte installiert wird hier keine Probleme haben. Wir haben für unseren Test folgende Spiele und VR-Anwendungen getestet:
- the Blu Season 1
- HordeZ
- Holopoint
- Tiltbrush
- The Lab
- The Brookhaven Experiment
Auf unserem Testsystem liefen alle diese Spiele und Anwendungen jederzeit flüssig. Mit diesen Spielen und VR-Anwendungen bekommt man einen guten ersten Eindruck von dem, was die HTC Vive zu leisten vermag: Man wird nahezu perfekt in virtuelle Welten entführt.
Großartiges Bild und klarer Ton
Letztlich steht und fällt jedes Virtual Reality Device natürlich mit der verwendeten Display-Technologie. Die beste Bewegungserkennung nutzt nichts, wenn das Bild unscharf oder trüb wirkt. Die HTC Vive besitzt zwei OLED-Displays mit jeweils einer Auflösung von 1080 x 1200 Pixeln, dies bietet genug Spielraum für hochauflösende Grafik. Wer den Pupillen- und den Linsenabstand korrekt eingestellt hat bekommt ein gestochen scharfes Bild.
Da die HTC Vive das Bild- und Tonsignal vom PC via HDMI erhält ist auch der Klang, natürlich in Abhängigkeit vom gewählten Headset, jederzeit einwandfrei. Ein direkt am Gummizug vorhandener 3,5mm Klinkenanschluss erlaubt den unkomplizierten Einsatz eines Headsets oder eigener Kopfhörer. Die mitgelieferten In-Ears von HTC sind klanglich in Ordnung, das sehr kurze Kabel führt aber zu einem leichten Komfort-Verlust. Der Klang als solcher ist in jeder HTC Vive Erfahrung klar und einwandfrei.
Maßgeschneiderte Controller
HTC Vive Controller (Bild © HTC)Um den Rechner bzw. das Spiel mit der HTC Vive optimal kontrollieren zu können liegen dem VR-System auch zwei passende Controller bei. Diese, hier werden Erinnerungen an die Nintendo Wii oder PlayStation Move wach, werden ähnlich einer Fernbedienung in den Händen gehalten und mit jeweils einer Schlaufe am Handgelenk befestigt. Auf den Controllern selbst befindet sich jeweils ein klickfähiges Trackpad, ein Knopf ober- und unterhalb des Trackpads, ein analoger Trigger auf der Unterseite des Controllers und je ein weiterer Button ist links und rechts in den “Griff” des Controllers eingelassen. Am oberen Ende des Controllers befindet sich eine ringförmige Sensor-Einheit die für das Tracking der Controller notwendig ist.
Durch diese vielseitigen Eingabeoptionen in Verbindung mit dem Tracking der Controller im Raum und der dadurch erzeugten Bewegungssteuerung sind VR-Spiele und Erfahrungen, wenn sich die Entwickler dieser Optionen auch bedienen, sehr gut Steuerbar.
Ein Druck auf die Taste unterhalb des Trackpads pausiert das jeweilige Spiel, öffnet das Steam Big-Picture Menü und erlaubt es dem Anwender zusätzlich sich, dank der in der HTC Vive integrierten Kamera, im realen Raum umzuschauen ohne die HTC Vive absetzen zu müssen.
Lässt man sich innerhalb der HTC Vive den Windows-Desktop anzeigen, kann einer der Controller, im Stile eines Laserpointers als Mausersatz dienen. So kann man notfalls auf System-Benachrichtigungen reagieren ohne die Vive absetzen und zur Maus greifen zu müssen.
HTC Vive Lighthouse (Bild © HTC)
Einrichtung und Sicherheitsaspekte
Die Vive kommt mir zwei (jeweils per Netzteil an die Steckdose anzuschliessenden) Lighthouses daher, welche den Raum zum Tracking mit einem Gitter aus Infrarot-Laserstrahlen ausleuchten. Diese etwa faustgroßen Boxen sollten mindestens auf Kopfhöhe, besser darüber angebracht und aufeinander ausgerichtet werden. Das “Sichfeld” dieser Geräte grenzt die Spielfläche der HTC Vive ein.
Die Software Steam VR fährt den Anwender, nach der Verkabelung der Brille mit Strom, HDMI und USB, durch die notwendigen Kalibrierungs- und Einrichtungsschritte. So wird durch einfaches auf den Boden legen der VR-Brille festgelegt auf welcher Höhe (im Verhältnis zu den Lighthouses) sich der Boden des Zimmers befindet. und durch abstecken der Kanten mit den Controllern wird der Spielbereich innerhalb des Raumes definiert.
Diese Voreinstellung des Spielbereichs ist wichtig, damit die VR Anwendungen wissen, mit welcher Fläche sie arbeiten können und nicht etwa dem Spieler Aufgaben geben, die hinter einer Realen Wand liegen, gegen die der Spieler dann laufen würde.
Bei sehr wenig Platz gibt es auch die Möglichkeit anstelle der Raumfüllenden VR, die VR Anwendungen im stehenden (theoretisch auch sitzenden) Modus zu erleben. was allerdings manche VR Erlebnisse ausschließt.
Bewegt sich ein Spieler innerhalb der Abgesteckten Raumgrenzen nun zu Nah an den Rand des Spielfeldes gibt es verschiedene Hilfsmittel, um einen zusammenprall mit Bspw. einer realen Wand zu vermeiden. In der Standardeinstellung erscheint das sogenannte Chaperone-Gitter, welches den Spieler wie ein virtueller Käfig vor dem “Ausbruch” aus dem Spielfeld warnt. Dieses lässt sich unterschiedlich einfärben (Standard: Blau) und auch die Dichte des Gitters ist variabel um das VR Erlebnis möglichst wenig zu behindern.
Alternativ kann bei Annäherung an die Grenzen auch die bereits erwähnte integrierte Kamera der HTC Vive aktiviert werden, um zu verhindern, dass der Spieler mit Gegenständen in Berührung kommt. So kann man sich auch ohne Probleme neu im Raum orientieren. Dies löst das Eintauchen in die virtuelle Realität allerdings fast komplett auf.
Da bei bewegungsintensiven Spielen das lange Kabel dazu neigt sich zu verdrehen, besteht manchmal die Gefahr, dass der Spieler darüber stolpert oder daran hängen bleibt. Damit man in einem solchen Fall nicht gleich die Grafikkarte aus dem Mainboard reisst, laufen sämtliche Kabel der HTC Vive durch eine Breakout-Box, aus der die Kabel herausgezogen würden anstatt teure Hardware zu beschädigen. Wenn diese Situation eintritt verliert man zwar sofort Bild und Ton, hat aber keinen Defekt an der Vive oder dem PC zu befürchten.
HTC Vive (Bild © HTC)
Fazit
HTC Vive Award (Bild © PCMasters.de) Auch wenn die HTC Vive nicht die erste VR Brille auf dem Markt war, so hat dieses VR Headset die Technik vor Allem im Bereich des Trackings weit vorangebracht. Die Gute Bewegungssteuerung in Verbindung mit den Hochauflösenden Displays und dem allgemein angenehmen Tragekomfort rundet ein sehr immersives Spielgefühl ab. Die Möglichkeit das eigene Lieblings-Headset zu nutzen gibt dem Ganzen ein individuelles Klangerlebnis und auch wenn es in Bezug die Anbindung an den Rechner noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt (es sind Wireless-Adapter für die HTC Vive in Produktion) so erlaubt das VR-Headset schon jetzt, in eine vollkommen andere Welt einzutauchen.
Der hohe Grundpreis von rund 900€ macht dieses Peripheriegerät zwar zu einem Luxus-Artikel, aber ist die Investition (unter Voraussetzung des entsprechend leistungsstarken Rechners) durchaus Wert.
Aufgrund dieser Eigenschaften und Erfahrungen geben wir dem HTC Vive Virtual Reality Headset eine Bewertung von 91%.