Ihr kennt das. Alle. Du, ich, wir.
In einer Diskussion mit verschiedenen Meinungen tendiert ein Thread nach kurzer Zeit dazu, umzukippen. Dies kann man in allen Foren beobachten.
Wie „umzukippen“? Wie meint der das?
Ganz einfach:
a) - Die Diskussion bewegt sich von der Darstellung von Fakten und vom Threadthema selbst weg
b) - Statt auf die Argumente einzugehen, werden Quellen diskreditiert („schlechtgemacht“), wird der Schreiber eines Standpunktes persönlich angegriffen und beleidigt, werden dessen Argumente völlig ignoriert, werden die Methodik des „Gegners“ oder seine Intention angezweifelt
Woran liegt das?
Im Zuge meiner Suche nach möglichen Gründen erscheint mir hier der Schlüsselbegriff „Kognitive Dissonanz“ entscheidend zu sein.
Kognitive Dissonanz bedeutet:
Ich weiß, dass der andere mit dem, was er sagt, Recht hat. Dass seine Fakten schlüssiger sind als meine. Dass meine Fakten nicht richtig sein können.
Aber: ich gebe das nicht zu. Ich WILL das nicht zugeben, schon gar nicht öffentlich. Ein Eingeständnis, ich habe selbst unrecht, lässt mich in einem schlechten Licht dastehen. Zurückstecken wird nicht als Stärke empfunden, sondern als Schwäche. Deshalb muss ich mich davor schützen, AUCH wenn meine Meinung falsch ist bzw. auf unwahren Fakten basiert.
Ich ignoriere deshalb die Fakten meines Diskussionsgegners, so korrekt sie auch sein mögen. Ich stelle stattdessen seine Quellen in Frage. Ich beleidige meinen Diskussionspartner um davon abzulenken, dass er die besseren Argumente hat.
Ich habe somit meine Meinung als GLAUBEN manifestiert. Ich GLAUBE, dass ich richtig liege, auch wenn alles gegen mich spricht. Auch wenn 10.000 Wissenschaftler vor mir stehen und mir beweisen: „Du irrst dich“, flüchte ich mich in meinen GLAUBEN um mich selbst davor zu schützen, „Schwäche“ zeigen zu müssen.
Nur SO gelingt es mir, widersprüchliche Meinungen innerhalb meines Denkens miteinander zu vereinbaren.
Ein Beispiel wäre der christliche Glaube: Ich kann nicht beweisen, dass Jesus existiert hat (oder Gott etc.), aber das muss so richtig sein, weil: Ich es glaube. Ich habe das so gelernt, also muss es wahr sein. Egal, wie die Fakten liegen, die sind egal.
Ein etwas realistischeres Beispiel: Ich glaube, alle (hier eine sozial benachteiligte Gruppe einsetzen) sind schlechte Menschen und belasten uns alle. Ich habe das so im Fernsehen/ in den Medien gesehen, die haben das gesagt.
Kommt jetzt jemand und belegt mit Fakten das Gegenteil, werde ich ihm nicht glauben. Weil es dem, was ich gelernt(!) habe, widerspricht. Ich schiebe mein Wissen auf die Ebene des GLAUBENS und bin dann unangreifbar. Auch wenn es wahr ist, ich werde es nicht glauben. Ich will gar nicht wissen, was mir der Andere erzählt. Weil es meinen GLAUBEN zerstören könnte. Weil ich wieder über mich selbst und meine Meinung nachdenken müsste.
Die logische Kette ist einfach und nachvollziehbar:
Wir werden mit Behauptungen „geimpft“ (per Medien) und übernehmen diese Meinungen, wir beginnen, sie zu glauben.
Selbst wenn anschließend (SPÄTER! Wichtig!) im gleichen Medium eine Gegendarstellung oder Korrektur erfolgt, diesmal mit den ECHTEN Fakten, weichen wir SELTEN von dem ab, was wir ZUERST vermittelt bekommen haben und in unser „Glaubensrepertoire“ übernommen haben. Weil es dissonant ist, weil es voneinander abweicht und uns zu einem Umdenken veranlassen muss. Selbstschutz.
Dass dies so ist, hat (nicht nur) Politikwissenschaftlicher Brendan Nyhan von der University of Michigan in den Jahren 2005/2006 mittels einer groß angelegten Studie nachgewiesen.
Andere Studien und Veröffentlichungen zu dem Thema findet ihr in der Literaturliste des entsprechenden Wikipedia-Eintrags „
(so z.B. sehr aktuell: C. Tavris,
Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigte: Wer zu Selbstzweifeln neige, sei leichter beeinflussbar und glaubt ungeachtet aller neuen Fakten umso stärker.
Wer hingegen eher über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, akzeptiert gegenteilige Fakten schneller und ist leichter bereit, darüber nachzudenken.
Die Bedeutung ist global. Ein allgemeines, menschliches Verhalten.
Betrifft, da ich ein Mensch bin, demzufolge auch mich. Nur falls jemand der Meinung sein sollte, ich wolle ihr/ihm mit diesem Thread "ans Bein pinkeln" wollen. Ist nicht der Fall.
Danke an Witschie, der mich mit dem Artikel seines Herren Vaters indirekt auf diese Möglichkeit erst aufmerksam gemacht hat.
Ebenso Danke an die Leute, die mich durch ihre Art der Diskussionsführung auf die Fragen „Wieso machen die das so? Wieso mache ICH das so? Gibt es einen Grund? Wenn ja, welchen?“ in einem bestimmten, nicht genannten Thread und zur Weiterverfolgung dieser Fragen brachten.
Das müsste die Antwort sein. Wahrscheinlich.
In einer Diskussion mit verschiedenen Meinungen tendiert ein Thread nach kurzer Zeit dazu, umzukippen. Dies kann man in allen Foren beobachten.
Wie „umzukippen“? Wie meint der das?
Ganz einfach:
a) - Die Diskussion bewegt sich von der Darstellung von Fakten und vom Threadthema selbst weg
b) - Statt auf die Argumente einzugehen, werden Quellen diskreditiert („schlechtgemacht“), wird der Schreiber eines Standpunktes persönlich angegriffen und beleidigt, werden dessen Argumente völlig ignoriert, werden die Methodik des „Gegners“ oder seine Intention angezweifelt
Woran liegt das?
Im Zuge meiner Suche nach möglichen Gründen erscheint mir hier der Schlüsselbegriff „Kognitive Dissonanz“ entscheidend zu sein.
Kognitive Dissonanz bedeutet:
Ich weiß, dass der andere mit dem, was er sagt, Recht hat. Dass seine Fakten schlüssiger sind als meine. Dass meine Fakten nicht richtig sein können.
Aber: ich gebe das nicht zu. Ich WILL das nicht zugeben, schon gar nicht öffentlich. Ein Eingeständnis, ich habe selbst unrecht, lässt mich in einem schlechten Licht dastehen. Zurückstecken wird nicht als Stärke empfunden, sondern als Schwäche. Deshalb muss ich mich davor schützen, AUCH wenn meine Meinung falsch ist bzw. auf unwahren Fakten basiert.
Ich ignoriere deshalb die Fakten meines Diskussionsgegners, so korrekt sie auch sein mögen. Ich stelle stattdessen seine Quellen in Frage. Ich beleidige meinen Diskussionspartner um davon abzulenken, dass er die besseren Argumente hat.
Ich habe somit meine Meinung als GLAUBEN manifestiert. Ich GLAUBE, dass ich richtig liege, auch wenn alles gegen mich spricht. Auch wenn 10.000 Wissenschaftler vor mir stehen und mir beweisen: „Du irrst dich“, flüchte ich mich in meinen GLAUBEN um mich selbst davor zu schützen, „Schwäche“ zeigen zu müssen.
Nur SO gelingt es mir, widersprüchliche Meinungen innerhalb meines Denkens miteinander zu vereinbaren.
Ein Beispiel wäre der christliche Glaube: Ich kann nicht beweisen, dass Jesus existiert hat (oder Gott etc.), aber das muss so richtig sein, weil: Ich es glaube. Ich habe das so gelernt, also muss es wahr sein. Egal, wie die Fakten liegen, die sind egal.
Ein etwas realistischeres Beispiel: Ich glaube, alle (hier eine sozial benachteiligte Gruppe einsetzen) sind schlechte Menschen und belasten uns alle. Ich habe das so im Fernsehen/ in den Medien gesehen, die haben das gesagt.
Kommt jetzt jemand und belegt mit Fakten das Gegenteil, werde ich ihm nicht glauben. Weil es dem, was ich gelernt(!) habe, widerspricht. Ich schiebe mein Wissen auf die Ebene des GLAUBENS und bin dann unangreifbar. Auch wenn es wahr ist, ich werde es nicht glauben. Ich will gar nicht wissen, was mir der Andere erzählt. Weil es meinen GLAUBEN zerstören könnte. Weil ich wieder über mich selbst und meine Meinung nachdenken müsste.
Die logische Kette ist einfach und nachvollziehbar:
Wir werden mit Behauptungen „geimpft“ (per Medien) und übernehmen diese Meinungen, wir beginnen, sie zu glauben.
Selbst wenn anschließend (SPÄTER! Wichtig!) im gleichen Medium eine Gegendarstellung oder Korrektur erfolgt, diesmal mit den ECHTEN Fakten, weichen wir SELTEN von dem ab, was wir ZUERST vermittelt bekommen haben und in unser „Glaubensrepertoire“ übernommen haben. Weil es dissonant ist, weil es voneinander abweicht und uns zu einem Umdenken veranlassen muss. Selbstschutz.
Dass dies so ist, hat (nicht nur) Politikwissenschaftlicher Brendan Nyhan von der University of Michigan in den Jahren 2005/2006 mittels einer groß angelegten Studie nachgewiesen.
Andere Studien und Veröffentlichungen zu dem Thema findet ihr in der Literaturliste des entsprechenden Wikipedia-Eintrags „
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“.(so z.B. sehr aktuell: C. Tavris,
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: Ich habe recht, auch wenn ich mich irre: Warum wir fragwürdige Überzeugungen, schlechte Entscheidungen und verletzendes Handeln rechtfertigen. Riemann Verlag 2010)Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigte: Wer zu Selbstzweifeln neige, sei leichter beeinflussbar und glaubt ungeachtet aller neuen Fakten umso stärker.
Wer hingegen eher über eine gefestigte Persönlichkeit verfügt, akzeptiert gegenteilige Fakten schneller und ist leichter bereit, darüber nachzudenken.
Die Bedeutung ist global. Ein allgemeines, menschliches Verhalten.
Betrifft, da ich ein Mensch bin, demzufolge auch mich. Nur falls jemand der Meinung sein sollte, ich wolle ihr/ihm mit diesem Thread "ans Bein pinkeln" wollen. Ist nicht der Fall.
Danke an Witschie, der mich mit dem Artikel seines Herren Vaters indirekt auf diese Möglichkeit erst aufmerksam gemacht hat.
Ebenso Danke an die Leute, die mich durch ihre Art der Diskussionsführung auf die Fragen „Wieso machen die das so? Wieso mache ICH das so? Gibt es einen Grund? Wenn ja, welchen?“ in einem bestimmten, nicht genannten Thread und zur Weiterverfolgung dieser Fragen brachten.
Das müsste die Antwort sein. Wahrscheinlich.
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