Gamer kennen die gängigen Klischees seit Jahren in- und auswendig: Von der Behauptung Games würden aggressiv machen über die Isolation, in die sich Zocker selbst begeben, bis hin zur vollständigen Unfähigkeit mit der vermeintlich „normalen Welt“ zu interagieren, wird Gamern nahezu alles erdenklich Schlechte angedichtet. Sicher, es gibt immer wieder Extrembeispiele, die öffentlichkeitswirksam in den Medien ausgebreitet werden und diese Klischees erfüllen. Doch die überwiegende Masse der Menschen, die in ihrer Freizeit Videospiele nutzen nimmt am „normalen Leben“ Teil, geht einer geregelten Tätigkeit nach, studiert, absolviert eine Ausbildung oder geht noch zur Schule. Das beste Beispiel dafür kann jeder einzelne jeden Tag beobachten: unglaublich viele Menschen spielen auf ihren Smartphones oder Tablets während sie im Zug oder im Bus zur Arbeit fahren.
Ein Vorurteil jedoch, nämlich der vermeintliche Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Spielen und aggressivem Verhalten, hält sich besonders hartnäckig. Unzählige mehr oder weniger wissenschaftliche Studien nehmen für sich in Anspruch Beweise oder zumindest Anhaltspunkte für diese Theorie oder die komplette Antithese, also das Fehlen jeglichen Zusammenhangs zwischen gewalthaltigen Medien und gewalttätigem Verhalten, zu liefern. Eine ernstzunehmende Studie, die allen Kriterien wie Repräsentativität, Objektivität und Reproduzierbarkeit gerecht wird, liegt auch nach einer mehr als zehn Jahre andauernden Debatte noch immer nicht vor. Es stellt sich also die Frage: Wie kann sich ein einzelnes, offensichtlich nicht beweisbares Vorurteil so lange halten?
Die einfache Antwort: Gamer verhalten sich in ihren Spielen hochgradig aggressiv.
Ein einfacher Feldversuch zeigt diese Tendenz: Wer sich in den Abendstunden zwischen 18 und 24 Uhr ins virtuelle Getümmel begibt, wird insbesondere im Umfeld von Shootern Beleidigungen, Anfeindungen und schlimmeres bis hin zu Selbstmord-Aufforderungen ernten. Ein gewisser Anteil an vergleichsweise harmlosen Pöbeleien wäre hier sicher kein Anlass zur Sorge, ähnliches kann schließlich auch weltweit auf Fußballplätzen beobachtet werden und Fußball dürfte hierzulande der Inbegriff eines gesellschaftlich akzeptierten Hobbys sein. Bedenklich wird es jedoch, wenn die Beleidigungen – und auch dies ist täglich zu beobachten – ins sexistische, homophobe oder rassistische abdriften. Hier sind es Gamer die sich und andere, anstatt sich einfach zusammen am gemeinsamen Hobby zu erfreuen, ohne Grund auf übelste Art beschimpfen. Und dies ist aus meiner Sicht ein sehr großes Hindernis für die Akzeptanz von Games als normalem Hobby.
Das folgende Video zeigt exemplarisch wie einige Gamer miteinander umgehen:
Solange sich Gamer gegenseitig aufs übelste beschimpfen, wird man nur das übelste von ihnen Denken. Solange kritische Stimmen wie Anita Sarkeesian – zu deren Ansichten man sicher unterschiedlicher Auffassung sein kann – bedroht oder erpresst werden, solange der Wert eines Menschen an seinem Highscore oder seiner Lieblingskonsole festgemacht wird, solange wird niemand Games als normales Hobby für normale Menschen akzeptieren. Wer anständig behandelt werden will, der muss sich auch anständig verhalten!
Jeder Gamer der die negativen Klischees erfüllt, sorgt für ihre weitere Verbreitung. Man könnte nun argumentieren, dass man sich ab einem nichtmehr akzeptablen Maß an Beleidigungen ja einen anderen Server mit besseren Umgangsformen suchen könne, jedoch ist dies keine Lösung um das grundsätzliche Problem zu lösen. Ebenso wie es kein Argument ist darauf zu verweisen, dass die meisten der pöbelnden Gamer vermeintlich Minderjährige seien. Denn selbst wenn Minderjährige in einem Spiel, dass sie gar nicht hätten kaufen dürfen (den trotzdem entstandenen Verdienst nehmen Publisher und Entwickler selbstverständlich mit offenen Armen entgegen), für den negativen Grundton sorgen, sind auch sie Gamer.
Auch hier sei nochmal der Vergleich zum Fußball gezogen: Es gibt Millionen friedlicher Fans die Woche für Woche ins Stadion oder pünktlich zum Anpfiff in die Eckkneipe gehen und so oder so letztlich für die Spielergehälter sorgen. Und es gibt diese kleine Gruppe von Idioten die Woche für Woche Negativschlagzeilen produzieren, wenn sie sich Schlägereien untereinander oder mit den Einsatzkräften der Polizei liefern. An welche Gruppe man denkt, wenn mal wieder eine Hundertschaft der Polizei die „Fans“ vom Sonderzug zum Stadion geleitet und dadurch alle normalen reisenden am Bahnhof Zeit verlieren, dürfte klar sein. Gleiches gilt auch für Games: Millionen Erwachsene Spielen Candy Crush Saga auf dem Weg zur Arbeit, weitaus weniger Idioten pöbeln über das Internet andere Gamer an.
Die Akzeptanz von Games als normalem Hobby geht alle Gamer an, egal wo sie leben, welchen Geschlechts sie sind oder welche Plattform sie bevorzugen. Folglich liegt es auch im gemeinsamen Interesse aller Gamer sich anständig zu verhalten. Der Satz, dass jeder andere so behandeln sollte wie man selbst behandelt werden möchte, den sicher jeder mal von den eigenen Eltern gehört hat, passt selten so gut wie auf die Frage nach dem Verhalten von Gamern.